Ein Design Sprint verspricht Beschleunigung im Innovationsprozess. Wir berichten über unsere Erfahrungen mit Design Sprints und dem Mittelstand und verweisen auf das aktuellen Impulse Magazin (Playframe Projekt mit Sanitärtechnik Hersteller TECE).
Design Sprints, das 5-Tage-Innovationsprogramm von Alphabet (ehemals Google Ventures), wird in der Startup-Welt als Standard zur Überprüfung von innovativen Ideen und Konzepten eingesetzt. In einer Woche von der Idee zu einem ersten Prototyp bis hin zum Test mit den Kunden - schneller geht es kaum, eine neue Idee zu überprüfen. Funktionieren Design Sprints auch für den Mittelstand? Hier berichten wir über unsere Erfahrungen, aber um es kurz zu machen: Es funktioniert, und das sogar sehr gut.
Dabei kommt eine Stärke zum tragen, die den Mittelstand seit jeher auszeichnet – seine Nähe zum Kunden. Da jeder Design Sprint mit einem User Test mit tatsächlichen Kunden und Anwendern abschließt, ist dieses Format also besonders spannend für mittelständische Unternehmen. Doch eines muss zu Beginn klar sein: Offenheit und Flexibilität sind Pflicht, sonst läuft der Design Sprint nicht rund. Und auch die Vorstellung, mit nur einem Durchlauf würde man alle Probleme oder Aufgaben dieser Welt gelöst haben, ist naiv. Innovation lebt von Iteration, frühem Kontakt zur Zielgruppe und stetiger Entwicklung, um schnell zur Marktreife zu gelangen.
Über ein erfolgreiches Kundenprojekt berichtet das Magazin Impulse (11/2020). In der Titelgeschichte geht es um Innovationsmethoden für den Mittelstand. Patrick Boltz, Geschäftsführer von Playframe, und Martin Krabbe, Leiter der Produktentwicklung TECE, wurden von Journalistin Anne Wilke zum Thema Design Sprints befragt.
Den Artikel kann man als Podcast anhören.
Design Sprints eignen sich als Innovationsmethode nicht nur für digitale Produkte. Ob Maschinenbau, Sanitärtechnik oder Krankenkasse - dank des strukturierten Vorgehens ist ein Design Sprint für die unterschiedlichsten Herausforderungen in nahezu allen Branchen einsetzbar. Dabei können Produkte, Services oder ganze Geschäftsmodelle mit innovativen Ansätzen exploriert werden (s. Impulse Magazin 11/20 - Case Study von einem Kundenprojekt von Playframe mit Sanitärtechnik Hersteller TECE > Link zum Artikel als Podcast).
Ein Design Sprint an einem gemeinsamen Ort, mit Interaktion und kollaborative Arbeit, ist für ein Team ein besonderes Erlebnis. Aber es funktioniert genauso gut, und mitunter sogar effizienter, wenn ein Design Sprint remote online durchgeführt wird. Das Team sitzt also verteilt an den unterschiedlichsten Standorten und findet sich in einem gemeinsamen Video Call wieder. Kollaboratives Arbeiten findet auf digitalen Whiteboards wie Mural oder Miro statt. Skizzen und Ideen werden per Handy-Foto und E-Mails an die begleitenden Facilitator geschickt und finden ihren Weg ebenfalls auf das digitale Whiteboard. Und selbst das Prototyping kann in einem Remote Sprint eine besondere Erfahrung sein, wenn die Teilnehmer z.B. im Vorfeld jeder eine eigene Prototyping-Box mit Material per Post erhalten.
Auch hier gilt: Gute Planung und Vorbereitung erhöht die Qualität des Design Sprint, und diese ist im Vergleich zu einem gemeinsamen Design Sprint vor Ort ganz klar höher. Dafür entfallen aber auch die Kosten für Reise, Unterkunft und Administration auf Seiten des Auftraggebers. Wir haben sehr positive Erfahrungen mit Remote Design Sprints gemacht, und wir erkennen zur Zeit einen Trend: Unternehmen, die die Pandemie-Krise als Chance für Transformation und Marktzugewinne sehen, setzen auf Remote Design Sprints – während viele Wettbewerber in ihrer „Shock & Cut“-Mentalität verharren und durch selbstgewählten Stillstand Marktanteile und einen Innovationsvorsprung verspielen.
Wir erleben es immer wieder, dass nicht über die Konsequenzen nachgedacht wird, wenn ein Team einen Design Sprint durchführt. Zunächst muss auf einer obersten Führungsebene unbedingt klar sein, dass dieser Design Sprint gewollt ist. Ohne ein eindeutiges Mandat stellt sich Unsicherheit bei den Teilnehmern ein, und das ist nicht gut, wenn man einen Design Sprint startet, da Kopf und Herz nicht 100% dabei sind. Dann muss man sich darüber klar sein, dass man 6-8 Mitarbeiter*innen für 5 Tage aus ihrer operativen Routine herausholt, um sie über neue Ideen nachdenken zu lassen. Es darf nicht sein, dass der Design Sprint für das Team eine untragbare Belastung ist, sondern die Ressourcenplanung die Abwesenheit für den Sprint berücksichtigt.
Fangen wir mit einer Variante an, die nicht wirklich gelungen wäre: Man plant einen Design Sprint und lädt 6-8 männliche Ingenieure aus einer Abteilung aus einer Marktregion ein. Und dann wundert man sich nach dem Sprint, dass das Ergebnis einem irgendwie bekannt und, naja, nicht so originell vorkommt. Um diese Situation zu vermeiden, sollte ein Sprint Team möglichst divers rekrutiert werden: Frauen und Männer, jung und alt, aus dem Heimatstandort und vielleicht noch aus anderen Länderorganisationen. Egal wie, aber Vielfalt in der Personenkonstellation bringt Vielfalt im Denken. Unterschiedliche Perspektiven bereichern die Exploration einer neuen Idee und erhöhen die Qualität der Ergebnisse. Ein positiver Nebeneffekt: Das lähmende Silo-Denken wird aufgebrochen, die Sprint-Teilnehmer wachsen als ein echtes Team in dieses 5 Tage zusammen.
Viele Auftraggeber sind unsicher, wenn es um das „Prototyping“ geht. Ein Prototyp im Design Sprint bedeutet, einer innovativen Idee eine erste Ausdrucksform zu geben, damit man sie am Tag 5 des Sprints mit potenziellen Kunden und Nutzern vorstellen und testen kann. So kann man in diesem ersten Dialog viel über die Bedürfnisse und Erwartungen im Kontext der neuen Idee lernen – und für die nächste Iteration, also den nächsten Sprint, nutzen. Der Prototyp, den wir gerne als einen „Level 0“ Prototypen bezeichnen, wird dabei mit einfachsten Mitteln gebaut, wie man es aus dem Design Thinking kennt. Oder es werden in PowerPoint o.ä. sogenannte Sales oder Marketing Mock-ups gebaut, die ein fertiges Produkt oder Service simulieren. Der Prototyp in einem ersten Design Sprint ist also nicht zu vergleichen mit Funktions-Prototypen höheren Reifegrades in einer industriellen Entwicklung. Jedoch arbeitet man sich mit jeder Iteration zielstrebig in diese Richtung voran.
Ein Design Sprint baut auf dem Prinzip von positivem Stress auf, d.h. es gibt einen definierten Zeitpunkt, an dem es eine Idee in einen ersten Prototypen geschafft haben muss, denn sonst steht man an Tag 5 mit leeren Händen da. Die Präsentation einer Idee in Form eines ersten Prototypen vor Kunden und möglichen Nutzern ist ein Highlight des Design Sprint. Immer wieder sind die Teams positiv überrascht über die oft differenzierten Rückmeldungen der Nutzer.
Der richtige „Aha-Moment“ entsteht, wenn eine Idee durch die aus den in den User Tests gewonnenen Erkenntnissen klar bewertet werden kann. Denn dann wird erkennbar, wohin die Reise mit dieser Idee gehen kann: Startet man die nächste Iteration und führt die Entwicklung fort? Oder ist offensichtlich, dass die Idee keine wirkliche Chance auf Marktreife hat? In beiden Fällen offenbart sich die Kraft der Methode Design Sprint, denn entweder man hat eine spannende Idee gefunden, oder jede Menge Geld und Ressourcen gespart, weil man eine vermeintlich gute Idee nicht weiter verfolgen wird.
Ein Design Sprint erfordert eine gute Planung und Vorbereitung. Zum einen sollte viel Aufmerksamkeit in die Rekrutierung eines ausgewogenen Sprint Teams gesetzt werden. Zum anderen gilt es, bereits weit im Vorfeld an die Organisation der User Tests mit Kunden zu denken. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die Vertriebsabteilungen und Mitarbeiter*innen unserer Auftraggeber in die Rekrutierung von Teilnehmern für die User Tests einzubinden.
Letztendlich stehen sie in direktem Kontakt mit ihren Kunden und können sehr gut einschätzen, wer für einen solchen Test in Frage kommt. Es ist empfehlenswert, mindestens 3 Wochen Planung und Organisation für den Tag der Test einzuplanen, um unnötigen Stress zu vermeiden. Mit dieser Vorlaufzeit erhöhen sich die Chancen, die Teilnehmer am passenden Termin befragen zu können. User Tests werden im Feld in der Alltags- oder Arbeitswelt der Befragten durchgeführt, aber gerade in Zeiten der Corona-Pandemie in Form von qualitativen Interviews in Video Calls, also online. Letzteres ist dann bei reinen Remote Design Sprints, die nur Online stattfinden, die Regel.
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